Die Planungen an der sogenannten “Rheinspange” im Kölner Südosten im Klima-Check.
Die Verkehrsplanung im Kölner Süden steht vor einem Umbruch. Dabei konkurrieren verschiedene Konzepte, Ideen, Planungen und Trassen: Kommt eine Autobahnbrücke oder ein Autobahntunnel? Oder eine Stadtbahn-Brücke? Die Antwort bestimmt mit, ob wir in Köln unsere Klimaziele erreichen. Unser „Idee des Monats„-Autor Martin Herrndorf macht den Klima-Check.
Wer im Kölner Süden wohnt, hat es Grün. Auf der Grenze von Porz und dem Rhein-Sieg-Kreis, zwischen Niederkassel, Mondorf, Wahn und dem Rhein liegt eine kleine grüne Idylle. Teilweise, wie die Lülsdorfer Wiesen, steht diese sogar unter besonderem Schutz.
Doch die Idylle hat ihren Preis. Denn die Region ist verkehrlich schlecht angebunden, gerade für Pendler ist dies natürlich ein Problem.
Dies gilt insbesondere für den Öffentlichen Nahverkehr. Die Stadtbahn-Linie 7 endet in Porz und braucht von dort stolze 24 Minuten bis zum Neumarkt. Auch die S-Bahn in Wahn ist, ohne Auto, aus den Rheindörfern nur schwer zu erreichen. Besonders absurd wird es, wenn man von Porz auf die anderen Rheinseite möchte: Nach Wesseling braucht man mit dem Auto 31 Minuten, mit Bus und Bahnen gar stolze 1,5 Stunden.
Das Ergebnis: In Langel kommen auf 1000 Einwohner 562 PKW – das sind ziemlich genau doppelt so viele wie in der Kölner Innenstadt (276). Im Stadtkern von Porz mit Anschluss an die Stadtbahn und den überregionalen Bahnverkehr sind es 361.
All das hat Auswirkungen auf den Klimaschutz: Während die Emissionen in anderen Bereichen gesunken sind, steigen sie beim Verkehr – bundesweit und auch in Köln. Während die Anwohner*innen der Innenstadt dabei relativ leicht auf andere Optionen umsteigen können, ist dies in den Randlagen schwierig. Vor allem, wenn diese so schlecht angebunden sind wie das hier betrachtete Gebiet.
Zusätzlich ist der Kölner Süden auf beiden Seiten des Flusses auch Industriestandort. Linksrheinisch befinden sich zwei große Shell-Standorte sowie der Godorfer Hafen, rechtsrheinisch hat Evonik einen Standort samt Verladestation.
Die Planungen
Die Politik hat das Problem seit längerem erkannt. Es gibt mehrere konkurrierende Ideen.
Ein Ansatz mit überörtlicher Bedeutung ist die sogenannte „Rheinspange“, eine Autobahntrasse, die von der Autobahn A59 im Rechtsrheinischen mit einer Brücke über den Rhein hinweg zur A555 auf der anderen Rheinseite führen soll. Hier ist eine lokale Auffahrt vorgesehen, zum Beispiel zwischen Langel und Lülsdorf. Es gibt verschiedene Ansätze für die Trassenführung, primär diskutiert werden eine nördliche an Langel vorbei und eine südliche zwischen Niederkassel in Lülsdorf.
Parallel dazu treiben die Verantwortlichen neue Bahntrassen voran, etwa eine Verlängerung der Linie 7 von Porz aus. Eine zweite Variante soll den rechtsrheinischen Süden über den Rhein hinweg an das Stadtbahnnetz anbinden. Hier wäre eine neue Brücke notwendig Die Fahrzeiten in Richtung Innenstadt wären so deutlich kürzer.
Der Klimacheck
Während die neuen Stadtbahntrassen recht unumstritten sind, ist um die „RheinSpange“, deren Planungen samt Berücksichtigung im Bundesverkehrswegeplan schon recht weit fortgeschritten sind, eine Kontroverse entbrannt. Die Spaltung reicht quer durch die Parteien. So ist die Kölner SPD bisher überwiegend für die RheinSpange, während sich die SPD Niederkassel überraschend und deutlich gegen die neue Autobahnbrücke ausgesprochen hat.
Von der zwischenzeitlich kursierenden Idee, Stadtbahn und Autobahn zu verbinden, haben sich Politik und Verwaltung mittlerweile verabschiedet. Dies liegt vor allem daran, dass eine Stadtbahntrasse möglichst nah an den bestehenden Siedlungsgebieten liegen sollte, um Haltestellen nah an Wohnorten zu ermöglichen, während eine Autobahn wegen der Lärmbelastung und sonstiger Emissionen möglichst weit weg von Wohngebieten verlaufen sollte. Gerade die Anwohner*innen vor Ort machen mobil gegen die Autobahnbrücke, wie dieses Video zeigt.
Verkehrsströme
Klar ist: Neue Autostraßen erzeugen zusätzlichen Autoverkehr. Das bestreiten auch die Befürworter*innen der RheinSpange nicht. Es wird sogar als Pro-Argument ins Spiel gebracht: Kürzere Wege, zum Beispiel von Lülsdorf nach Wesseling, bedeuten weniger Energieverbrauch – gut für den Klimaschutz!
Dieses Argument berücksichtigt allerdings nicht, dass neue Infrastruktur immer auch einen verkehrlichen Effekt hat, also mit beeinflusst, wer wie oft und wie weit mit welchem Verkehrsmittel unterwegs ist.
Das Verkehrsgutachten für die Nordvariante rechnet mit 63.700 Autos pro Tag, die über die neue Autobahnbrücke fahren. Dagegen stehen Entlastungen von täglich 18.900 auf der Rodenkirchener Brücke und 8.800 Fahrzeuge weniger in Bonn. Die Entlastungen auf den anderen Brücken machen damit nur ein Drittel der Mehrfahrten auf der neuen Brücke aus.
Zudem ist zweifelhaft, ob die anderen Brücken und auch alle anderen Straßen wirklich dauerhaft entlastet werden. So könnten Pendler, die jetzt per Bus und Bahn fahren, weil sie nicht im Stau stehen wollen, in Zukunft wieder umsteigen – und den Rückgang kompensieren.
All das steht im deutlichen Widerspruch zu den Zielen der Stadt Köln. So soll, nach dem Mobilitätskonzept KölnMobil 2025, der Anteil der Autofahrten an den Gesamtfahrten deutlich sinken. Und das Klimakonzept Köln KlimaAktiv 2022 errechnet gar einen notwendigen Rückgang des Automobilverkehrs von heute 43 Prozent auf 10 Prozent (!) im Jahre 2030, wenn die Pariser Klimaziele eingehalten werden sollen. Ob eine derartig drastische Reduktion möglich oder durchsetzbar ist, ist ohnehin fraglich. Unmöglich wird sie, wenn wir in den Maße Kapazitäten zubauen, wie es hier geplant wird.
Grafik: https://rheinspange.nrw.de/
Hochwasser, Naturschutzgebiete & Co.
Der zweite Klima-relevante Aspekt sind die lokalen Auswirkungen auf Feld, Wald und Wiesen. Hierbei geht es vor allem um die Klimafolgenanpassung. Die Prognosen, mit denen auch die Stadt Köln arbeitet, sagen zwei Tendenzen voraus.
Zum einen soll es zwar auch in Zukunft ähnlich viel regnen wie heute – aber dafür konzentrierter in Form von Starkregen. Dafür braucht es Ablauf- und Rückehaltebecken, sowohl im Kleinen, wenn es um die städtische Kanalisation geht, als auch im Großen, um Hochwasserwellen aufzufangen. Gut ist hierbei unversiegelter Boden, weil dieser Wasser besser zurückhalten kann. Schlecht sind versiegelte Flächen, weil das Wasser konzentriert abgeführt wird. Zum anderen braucht es Rückhaltebecken entlang des Rheines. Auch diese werden von manchen Varianten durchschnitten.
Zum anderen sind Naturräume wichtig, um die klimatischen Schwankungen vor Ort aufzufangen, insbesondere in Hitzeperioden. Hierbei ist die Stadt Köln auf „Kaltluftentstehungsgebiete“ angewiesen: unbebaute Flächen, aus denen kältere Luft in die Siedlungsgebiete zieht. Das funktioniert schon im Kleinen: So ist der Grüngürtel meist ein paar Grad kälter als die umgebenden Stadtviertel.
Nicht zuletzt sind zusammenhängende Naturräume wichtig, um bedrohten Arten Schutz zu bieten. Auch hier wirkt die Rheinspange „einschneidend“, weil sie große, zusammenhänge Flächen zerteilt, die heute unverbaut sind, und – egal ob landwirtschaftlich genutzt oder naturbelassen – ein wichtiger Rückzugsort für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sind.
Dies alles sind keine Mutmaßungen, sondern Prognosen, die im Detail untersucht worden sind. Die Umweltverträglichkeitsstudie zur Rheinspange von Cochet Consult im Auftrag von Straßen.NRW zieht das Fazit:
„Unter Berücksichtigung der Darstellungen in Kapitel 4.1 und der Raumwiderstandskarte kann zunächst grundsätzlich festgehalten werden, dass sich zwischen der A555 im Westen und der A59 im Osten keine durchgängigen konfliktarmen Korridore ableiten lassen.“
Wohlgemerkt: Es geht nicht um „konfliktfreie Korridore“ – Kompromisse zwischen unterschiedlichen Zielvorgaben sind ja planerischer Alltag – sondern nur um „konfliktarme“. Für alle Trassen-Entwürfe finden sich im Detail teils schwerwiegende „Raumwiderstände“ – ein technischer Begriff dafür, dass im Zweifelsfall landwirtschaftliche Fläche oder geschützte Wiesen und Wälder für die Autobahn weichen müssen.
Der Tunnel als Lösung?
Vor allem die Konflikte vor Ort haben dazu geführt, dass ein Rheintunnel in die Diskussion gebracht wurde. Und ja – für die besonders schutzwürdigen Zonen direkt am Ufer wäre dies wohl eine geeignete Lösung. Allerdings wäre auch ein Tunnel mit schwerwiegenden Eingriffen in die Natur verbunden, etwa durch Ein- und Ausgänge, Wartungszugänge und Entlüftungsschächte, zudem würde er wohl nicht die ganze Strecke abdecken.
Letztlich steht hinter der RheinSpange die Frage, welche Vision für die Zukunft wir haben. Setzen wir auf weiteres materielles Wachstum? Also auf mehr Konsum, mehr Logistik, mehr Straßen? Oder treiben wir die Dematerialisierung unserer Wirtschaft weiter voran? Bauen wir im Sinne des Postwachstumsgedankens mittelfristig dezentrale, regionale und digital vernetzte Formen des Wirtschaftens auf?
Die RheinSpange steht mit Sicherheit für das Wachstumsparadigma – und auch für eine Kapitulation vor der Frage, ob nicht der Gütertransport über die Schiene eine gangbare Alternative wäre.
Fazit Klimacheck: schlechte Noten für die Rheinspange
Im Klimacheck schneidet die RheinSpange mehrfach schlecht ab. Wie oben dargestellt und durch die Gutachten belegt, erzeugt sie massiv neuen Autoverkehr. Der Entlastungseffekt durch kürzere Wegstrecken dürfte verglichen damit vernachlässigbar sein.
Zudem greift sie in wichtige Kulturlandschaften vor Ort ein und mindert deren Kapazitäten, Klimaveränderungen abzumildern. Nun nimmt auch eine Stadtbahn Flächen in Anspruch – allerdings werden diese im allgemeinen nicht voll versiegelt. Außerdem sind sie deutlich weniger umfangreich.
Gerade weil das Verfahren schon so weit fortgeschritten ist: Die RheinSpange ist ein hervorragender Anlass, bei dem die Kölner Politik zeigen kann, wie ernst sie den ausgerufenen Klimanotstand nimmt.
Autor Martin Herrendorf