… denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge

Nach einem Besuch von Mitgliedern aller Fraktionen in der Notunterkunft für Geflüchtete in der Dreifachsporthalle in Mondorf hatte die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niederkassel folgenden Antrag für den Haupt-, Finanz- und Beschwerderausschuss am 30.11.2023 gestellt:
“Die Verwaltung wird beauftragt, erneut einen eindringlichen Aufruf an die Bevölkerung Niederkassels zu richten, bei der Suche und Bereitstellung privaten Wohnraums behilflich zu sein. Die Verwaltung wird ebenfalls beauftragt, soweit bekannt mit den Eigentümern länger leerstehender Gebäude (gewerblich und privat) Kontakt aufzunehmen und für die Vermietung als Wohnraum zu werben.”

Der Antrag fand bei den anderen Fraktionen (CDU, FDP, SPD) keine Zustimmung. Sie sahen keinen Sinn darin bzw. befürchteten sogar, der Aufruf könne bei den Bürger:innen zu Verärgerung führen. Der Vorschlag der Verwaltung, der Appell könne ja ausschließlich durch den Rat ausgesprochen werden, fand Zustimmung. Begründung durch Bürgermeister Vehreschild: “Dann bekommt der Rat die Prügel und nicht die Verwaltung”. 🙂

Ortsverband und Fraktion der Niederkasseler GRÜNEN haben daraufhin den folgenden Appell Weihnachten 2023 in der MOZ veröffentlicht. Wir freuen uns, wenn er gelesen und diskutiert wird und wenn daraus private Wohnangebote für Geflüchtete oder Räume der Begegnung entstehen. Am Ende des Appells lesen Sie der Hinweise, an wen Sie sich mit Fragen und Ideen wenden können.

 

Mein erster eigener Schutzraum

“Ich war noch ein Kind, als ich fliehen musste. Ich habe an vielen Orten geschlafen auf der Flucht, manchmal eine Nacht, manchmal ein paar Wochen. Ich war klein und dünn, ich konnte mich verstecken, wo Erwachsene keinen Platz gehabt hätten: In Radkästen von Lastwagen, zwischen tiefgefrorenem Fisch in Kühlwagen, auf Mauervorsprüngen oder im griechischen Gefängnis. Manchmal hat mir jemand ein Bett angeboten in seinem Zuhause. Aber ich hatte überall Angst, nirgends gab es einen geschützten Raum.

Als ich in Deutschland ankam, war ich 16. Lange habe ich mich auch hier nicht sicher gefühlt. Die ersten Monate in der Jugendwohnung habe ich jeden Abend meine Zimmertür abgeschlossen und eine große Kommode von innen hinter die Tür geschoben. An die Wand habe ich das große Bild eines starken Löwen gehängt. Und ich war froh, dass die Wohnung oben im Haus war. Erdgeschosswohnungen mag ich auch heute, Jahre später, noch nicht.

Gerade bin ich umgezogen – in meine erste eigene Wohnung. Ich habe lange gesucht: Ich kann sie selbst bezahlen, sie hat genug Platz und: Sie liegt im ersten Stock. Ein Schutzraum. Mein Schutzraum. Ich will sie mir richtig schön machen. Das Bild vom Löwen werde ich auch dort aufhängen. Aber Angst habe ich nicht mehr. Ich fühle mich sicher.

Neulich habe ich vergessen, die Wohnungstür abzuschließen. Es war ok.”

Munir (25) floh als 13-Jähriger aus Afghanistan. Heute lebt er in Hamburg, hat hier eine Ausbildung gemacht und arbeitet als Betreuer in einer Flüchtlingsunterkunft. Seine Geschichte – und 23 weitere – haben wir im Schutzraum-Adventskalender der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche gefunden und übernommen. www.flucht.adventskalender-nordkirche.de

Alle Geschichten handeln von der Sehnsucht nach Raum in der Herberge” in unsicheren Zeiten. “Sie zeigen, was zu wirklich sicheren Räumen alles dazugehört: Nicht das Abschotten und Ausgrenzen, sondern weite Tore und Herzen, Menschenwürde für jeden einzelnen Menschen“, so erklärt es die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Pastorin Dietlind Jochims. Das Schutzraum-Motiv leitet sich ab aus dem Vers „… denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“ aus der Weihnachtsgeschichte im Lukasevangelium.

 

Frohe Weihnachten!

Die Christenheit feiert seit mehr als 2000 Jahren die Geburt Jesu und mit ihr die Menschwerdung Gottes. Damals wie heute lebten Menschen in Elend, Angst, wurden vertrieben und wussten nicht wohin. Dazu gehörten auch Joseph und die hochschwangere Maria, die keinen Platz in der Herberge fanden. Das Kind kam dann unter erbärmlichen Umständen in einem Stall zur Welt. Kurz darauf musste die heilige Familie wieder fliehen vor den Schergen des Herodes.

Diese Geschichte wiederholt sich in unverminderter Dramatik immer und immer wieder, auch 2023 nach Christus. Oft enden diese Geschichten ohne Trost, ohne Hoffnung. Viele sterben!

Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und erdrückende Sorgen bleiben. So auch sicherlich bei den meisten Flüchtlingen, die Woche für Woche in Niederkassel ankommen. Sie alle brauchen einen Zufluchtsort, einen Schutzraum, ein Dach über dem Kopf, tatkräftige Unterstützung. Deshalb unser Wunsch zu Weihnachten und fürs Neue Jahr 2024 an alle Bürgerinnen und Bürger, an die Politik und die Stadtverwaltung, an Vereine und Unternehmen: Suchen und schaffen wir gemeinsam Schutzräume und menschenwürdige Verhältnisse für Alle! Haben Sie ungenutzten Wohnraum, leerstehende Gebäude? Wenn alle mithelfen, suchen, Hindernisse überprüfen und zusammen arbeiten , dann können wir für die Geflüchteten sichere Orte, Räume und Wohnungen finden, sie menschenwürdiger unterbringen, als bisher. Das wäre für uns alle besser!

In diesem Sinne gesegnete Weihnachten von Ortsverband und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niederkassel.

 

Weihnachtsappell in der MOZ Weihnachten 2023
Weihnachtsappell als PDF, Layout-Version “friedlich”
Weihnachtsappell als PDF, Layout-Version “abgerissen”

 

Wenn Sie jetzt Ideen oder Fragen haben oder handeln wollen, wenden Sie sich bitte an:

Integrationsinitiative – InterKultur Niederkassel
Matthias Ferring (Sprecher), 0173-9848258, info (at) interkultur-niederkassel.de

Stadt Niederkassel, Fachbereich 4
Herr Frechen, 02208-9466-412, k.frechen (at) niederkassel.de

Die GRÜNEN Niederkassel
vorstand-ortsverband (at) grueneniederkassel.de

Tipps von Pro Asyl: Flüchtlinge privat aufnehmen – wie geht das?

Und blättern Sie auch gerne in dem beeindruckenden und berührenden Schutzraum-Adventskalender der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche, in dem wir auch die Geschichte von Munir gefunden haben. www.flucht.adventskalender-nordkirche.de

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