Appell von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niederkassel – anlässlich des 85. Jahrestages der Reichspogromnacht 1938

Vor 85 Jahren brannten überall in Deutschland die Synagogen. Juden wurden systematisch gejagt, gedemütigt, unter Gelächter in den Tod getrieben. Jüdische Einrichtungen und Wohnungen wurden zerstört, Geschäfte niedergebrannt. So auch in Niederkassel. Niederkasseler Bürger und Bürgerinnen hatten sich, wie der größte Teil der deutschen Bevölkerung, in einen fürchterlichen Mob verwandelt. Unter Gejohle machte er mit bei dem Terror gegen die jüdischen Mitmenschen. An diese Reichspogromnacht 1938 wird an vielen Orten in Deutschland erinnert. In Niederkassel lädt der Arbeitskreis Synagoge Mondorf unter der Schirmherrschaft der Stadt Niederkassel zu einer Gedenkveranstaltung am Donnerstag, 9.11.2023, um 19 Uhr in die Maria-Magdalena-Kirche, Oberstraße 205 in Rheidt ein.

Das Gedenken und die Erinnerung an den 9. November 1938 sind wichtiger denn je! Als Vorbote des Holocaust wurde damals staatlich organisiert, befördert und geduldet die gesamte jüdische Bevölkerung zur Verfolgung frei gegeben. Die überwältigende Mehrheit der Deutschen folgte, befallen von dem lange zuvor gesäten kollektiven Wahn, die Juden seien an allem schuld.

Heute sind es wieder insbesondere unsere jüdischen Mitbürger, die zur Zielscheibe von Wut, Hass und Schuldzuweisungen werden. Juden und Jüdinnen werden in Deutschland wieder bedroht und sind ihres Lebens nicht sicher. Heute führen die Terrormilizen des Hamas wieder einen Krieg gegen Israel. Viele Staaten wollen Israel auslöschen. Das Existenzrecht des Staates Israel wird in Frage gestellt, ihres sicheren Zufluchtsortes, wenn das ungefährdete Leben in Deutschland und anderswo für Juden und Jüdinnen nicht mehr möglich wäre.

Stimmen sind laut geworden, die die Geschichte des Holocaust vergessen wollen. Verharmlosung und Relativierung sind weit verbreitet. Natürlich sei es schlimm gewesen, aber wir hätten auch gelitten.

Einher mit dem Antisemitismus verbreitet sich in der Gesellschaft eine Atmosphäre der Intoleranz, der Einschüchterung und antidemokratischer Positionen. Angeheizt wird die Stimmung durch zunehmend rechte bis rechtsradikale und nationale Bewegungen, die immer offener soziale Minderheiten, Randgruppen, Andersdenkende und Andersgläubige diffamieren, ausgrenzen und rassistisch attackieren. Fake News und massenhafte Lügen werden mittels der sozialen Medien und Netzwerke über Minderheiten verbreitet. Das Gift der Ausgrenzung und des Fremdenhasses ist erkennbar gesät und keimt. Es zeigt sich in rassistisch motivierter tätlicher Einschüchterung und Gewalt. Hetze gegen in Deutschland lebende Flüchtlinge ist wieder alltäglich geworden. Vergessen wird, dass tausende Flüchtlinge bei der Flucht sterben. Vergessen wird, dass jeder einzelne der Flüchtlinge seine eigene Geschichte und Gründe hat. Vergessen wird die Bereicherung der Gesellschaft durch die Flüchtlinge. Ein Sprachgebrauch schleift sich ein, der Verständnis, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Offenheit, Gastfreundschaft als wesentliche Elemente des Zusammenlebens verdrängt. Es bleibt die Befürwortung von Abschottung, Fremdenfeindlichkeit, Selektion der eigenen Gruppen, Aberkennung des Menschseins von außen Stehenden. Rassismus droht zur Normalität zu werden.

Dieser bedrohlichen gesellschaftlichen Tendenz müssen wir uns, müssen sich alle demokratischen Parteien, Verbände, Institutionen. Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger der Zivilgesellschaft widersetzen. Margot Friedländer, eine der wenigen noch lebenden Holocaustüberlebenden formuliert es so: „Was war, war. Das können wir nicht ändern. Aber es darf nie wieder passieren. Ich möchte, dass ihr vernünftig seid. Ich möchte, dass ihr Menschen seid, die andere Menschen respektieren.“

Im täglichen Leben, in der alltäglichen politischen Auseinandersetzung hier in Niederkassel und überall muss klar sein, die Maxime des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, ist verpflichtend für unsere Sprache und unsere Handlungen. Die Menschenrechte sind universell, sie gelten für alle Menschen. Die Artikel des Grundgesetzes müssen das einigende Band der deutschen Gesellschaft bleiben – damit sich ein Morden im kollektiven Wahnsinn nicht wiederholen kann.

Text: Ingo von Conta und Ulrich Buchholz
Foto aus machPuls Niederkassel 9.11.2022, Fotoquelle Rotkäppchen

 

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